Projektdaten:
- Titel: Freundschaft im Nationalsozialismus
- Bündnispartner 1: Stadtbücherei Kellinghusen, Hauptstr, 18, 25548 Kellinghusen
- Bündnispartner 2: Gemeinschaftsschule Kellinghusen, Danziger Str. 40, 25548 Kellinghusen
- Bündnispartner 3: Friedrich-Bödecker-Kreis in Schleswig-Holstein e.V., Stellauer Str. 5 f, 25563 Wrist
- Autorenpatin: Margret Steenfatt
- Zeitraum: 01.09.2013 - 31.08.2014
- Ort: Kellinghusen
- Bundesland: Schleswig-Holstein
Downloads und Presselinks zur Autorenpatenschaft Nr. 1
Über nachfolgende Links können Sie sich Pressemitteilungen anschauen und das Buch mit den Projektergebnissen nach Fertigstellung als PDF runterladen. Zur Ansicht wird ein PDF Reader benötigt.
Presse
- Artikel "Schüler bringen „Auf immer und ewig“ auf die Bühne – und die Autorin hilft" in Norddeutsche Rundschau (20.11.2013)
Download des Buchs (PDF)
Projektbeschreibung
Bei der Gruppe handelt es sich um SchülerInnen des 11. Jahrganges der GemS Kellinghusen, die mit der Autorin an der Dramatisierung eines epischen Textes arbeiten werden. Das Drehbuch wird unter Anleitung der Autorin von den SchülerInnen erstellt. Danach werden eigene Texte der SchülerInnen erstellt, die in einer Dokumentation zusammengefügt wrden. Die GemS wird von SchülerInnen aus Kellinghusen und den umliegenden Dörfern besucht. Da die auswärtigen SchülerInnen vom Schulbus abhängig sind, haben sie kaum Gelegenheit, die Stadtbücherei zu besuchen. Während der Unterrichtszeit sind auch wenig Möglichkeiten dazu gegeben. Daher wurde die intensive Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei in dieses Projekt eingebunden. Auch im Jugendzentrum in Kellinghusen wird Werkstattarbeit stattfinden. Der Jugendpfleger aus Kellinghusen wird ebenfalls mit dabei sein.
Die Durchführung ist wie folgt geplant:
– Autorenbegegnung mit Margret Steenfatt – Lesung aus „Auf immer und ewig“
– gegenseitiges Kennenlernen
– Lektüre des Textes
– Drehbuch schreiben
– Teile von Aufführungen proben
– eigene Texte von den SchülerInnen erstellen
– Exkursion nach Hamburg an die Originalplätze des Geschehens im Buch
– Recherche zum historischen Hintergrund
– Treffen der jüdischen Gemeinde
– Erstellung von Dokumenten für szenische Lesung
– weitere Textarbeit
– Herstellung eines Videos über Werkstattarbeit
– Erarbeitung einer Publikation (kleines Buch)
– Präsentation
Die Gemeinschaftsschule Kellinghusen liegt im ländlichen Gebiet. Sie wurde von uns ausgewählt,da die Jugendlichen wegen der teilweise weiten Wege aus umliegenden Dörfern an kulturellen Veranstaltungen, wie Theater-und Museumsbesuchen oder Lesungen kaum teilnehmen können. Durch die Teilnahme an diesem Projekt soll die Kritikfähigkeit der Jugendlichen gefördert und Gespräche über Gesellschaft und Politik bis in die Familien getragen werden. Durch die Angebote von Schreibwerkstätten haben die Schüler nun ein Jahr lang die Möglichkeit, intensiv und aus eigenem Antrieb den unendlichen Reichtum unserer Sprache kreativ zu nutzen und neben Computer- und Handynutzung die direkte Kommunikation miteinander als Inspiration und Bereicherung erleben.
Bilder
Texte der Autorenpatenschaft Nr. 1
Kultur macht stark
Die Vielfalt unserer Kultur entwickelt sich dadurch, dass jeder Mensch über eine Individuelle Kreativität verfügt. Diese kann er je nach seinem Interesse in den Bereichen Literatur, Sport, Kunst oder Musik entfalten. Zu den kreativen Begabungen gehören auch die Schauspiel- und die Tanzkunst.
Wer im Laufe seines Lebens die eigene kulturelle Begabung erkennt und permanent weiterentwickelt, gewinnt Stärke.
In der Vergangenheit, z.B. zur Zeit Goethes und Schillers, galt Deutschland als das „Land der Dichter und Denker“. In der Weimarer Republik, der ersten Demokratie Deutschlands nach dem Kaiserreich, kreierten Schriftsteller, Künstler und Musiker mit neuen Texten, Farben und Tönen die sogenannte „Moderne“. Die moderne Kultur entstand europaweit, besonders in Frankreich/Paris, das von deutschen Militärs wegen des verlorenen Ersten Weltkrieges als „Erbfeind“ verteufelt wurde.
Die neue Kultur hatte es schwer in Deutschland, denn 1933 wählten die deutschen Bürger die Diktatur des Nationalsozialismus, der mit der „Bücherverbrennung“ sofort anfing, alles Neue zu zerstören. Die moderne Kunst wurde als „entartet“ verboten, auch die neue Musik. Dennoch gab es Menschen in der Gesellschaft, wie den Berliner Swingmusiker Coco Schumann, der noch im Konzentrationslager mit seiner Band die verbotene Swingmusik spielte und sich somit gegen Hitler stark machte. Auf diesem Wege überlebte Schumann den Holocaust.
Was resultiert demnach aus unserem Projekt über die Unkultur des Nationalsozialismus? -
Wir leisten Zivilcourage und Widerstand gegen Neonazis.
Die Zerstörung unserer Kultur darf niemals mehr zugelassen werden.
Jasmin Gosch, 17 Jahre, Jacqueline Fries, 18 Jahre
Die Jugendlichen haben auch Zeitzeugen aus Kellinghusen über den Nationalsozialismus 1938 bis 1945 befragt. (Margret Steenfatt)
Befragung der Zeitzeugin Marlen Eisenblätter am 7.11.2013 im Mehrgenerationenhaus
Oliver E.: Frau Eisenblätter, würden Sie uns bitte mitteilen, wann und wo Sie geboren wurden?
M. Eisenblätter: Sie können gern wissen, dass ich 1940 in Kellinghusen auf die Welt kam.
Jacqueline F.: 1945, am Ende des Krieges, waren Sie erst 5 Jahre alt. Was haben Sie und Ihre Eltern in der Nazi-Zeit erlebt?
M. Eisenblätter: Mein Vater hat mir erzählt, dass er sich weigerte, in die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei) einzutreten. Daraufhin haben die Nazis unser Haus durchsucht, um Beweise dafür zu finden, dass er vielleicht zu den Widerstandskämpfern gehörte. Zum Glück haben sie nichts entdeckt.
Oliver E.: Wie ist es Ihren Eltern im Krieg ergangen?
M. Eisenblätter: Mein Vater wurde als Soldat an die Front geschickt und kam im letzten Kriegsjahr ums Leben.
Jacqueline F.: Das war schlimm für Ihre Mutter und Sie.
M. Eisenblätter: Ja, meine Mutter hat unter dem Tod meines Vaters sehr gelitten und wir mussten oft hungern.
Oliver E.: Wie hat Ihre Mutter in den Hungerjahren für die Familie gesorgt?
M. Eisenblätter: Sie ist an Diphtherie erkrankt und starb. So habe ich schon als kleines Kind beide Eltern verloren.
Jacqueline F.: Wo haben Sie nach dem Tod Ihrer Mutter gelebt?
M. Eisenblätter: Man hat mich bei meiner Tante in der Mädchenschule untergebracht. Nach dem Krieg wurde die Schule als Lazarett genutzt und später als Flüchtlingslager.
Oliver E.: Können Sie uns noch etwas aus Ihrer Familie erzählen, damit wir die Zeit besser verstehen können?
M. Eisenblätter: Meine beiden Onkel wurden ins Konzentrationslager in Kiel deportiert, einer, weil er angeblich Jude sein sollte. Das stimmte aber nicht. Er versuchte jahrelang, den Irrtum aufzuklären, der dadurch entstanden war, dass die Nazis sich in der Haustür geirrt hatten. Doch niemand glaubte ihm und er musste im KZ bleiben.
Jacqueline F.: Was denken Sie über Neonazis in Deutschland?
M. Eisenblätter: Vor 20 Jahren habe ich erlebt, wie Neonazis in Kellinghusen demonstrierten. Drei Brüder, allesamt in Springerstiefeln, haben mir damals Gewalt angedroht. Es brodelt überall, jedoch glaube ich trotz allem, dass sich die Neonazis zurückziehen.
Jacqueline Fries, 18 Jahre, Oliver Ehrngruber, 18 Jahre
Befragung eines 69-jährigen Mannes, der seinen Namen nicht öffentlich machen möchte und deshalb hier als A. (Anonymus) bezeichnet wird.
Oliver E.: Herr A, sind Sie in Kellinghusen geboren?
A.: Nein, ich kam am Ende des Krieges in Hamburg zur Welt.
Jacqueline F.: Haben Ihre Eltern Ihnen erzählt, wie sie in Hamburg mit Nachbarn jüdischen Glaubens zusammengelebt haben?
A.: Meine Eltern waren gleichermaßen mit katholischen, evangelischen und jüdischen Nachbarn befreundet. Doch seit 1933 spaltete sich die Gesellschaft, weil die Regierung Juden zu Feinden erklärte.
Oliver E.: Aber manche Bürger waren doch, wie Ihre Eltern mit Juden befreundet?
A.: Das war nun verboten. Außerdem erwartete die Regierung, dass möglichst alle sogenannten Arier in die NSDAP eintraten. Berufstätigen, die sich weigerten, wurde gekündigt.
Jacqueline F.: Wie erging es den Juden?
A.: Sie mussten einen gelben Stern am Mantel tragen und wurden so von allen anderen Bürgern isoliert.
Oliver E.: Wollten die Leute gar nicht wissen, warum diese entwürdigenden Befehle erlassen wurden?
A.: Die meisten gehorchten, denn auf diese Weise konnten sie ein besseres Leben führen. Wer nicht gehorchte, bekam Schwierigkeiten. Es wurde z.B. verboten, in Läden jüdischer Kaufleute einzukaufen.
Jacqueline F.: Dann hatten die Juden kein Geld mehr zum Leben.
A.: Die Nazis verbreiteten das Gerücht, jüdische Wucherer wären reich, weil sie Geld an arische Bürger verliehen, das diese nicht zurückzahlen konnten und deshalb in Armut leben mussten. Diese Bürger hatten nichts dagegen, dass Juden verbrannt wurden, denn dann waren sie ihre Schulden los. Nach dem Krieg behaupteten jedoch alle Bürger, an der Ermordung von Millionen Juden unschuldig zu sein.
Oliver E.: Wurden in Deutschland nur Juden verfolgt?
A.: Nein, auch Sozialdemokraten, Kommunisten, Christen und Widerstandskämpfer.
Jacqueline F.: Wie erging es Ihren Eltern im Krieg?
A.: Mein Vater musste in Russland an die Front. Die Kinder der russischen Bevölkerung erlebten, wie alles zerstört und viele ermordet wurden. Sie litten große Not. Mein Vater gab russischen Kindern Brot und wäre deshalb als Verräter fast hingerichtet worden. Die Nationalsozialisten kannten kein Erbarmen.
Nachtrag:
1980
Oliver E.: Im Nachkriegsdeutschland wurde der Vater von A. Sozialdemokrat. Er lebte in Kellinghusen und wurde von Neonazis als „Nestbeschmutzer“ bezeichnet. Auf der Landkarte war Kellinghusen, eine „Nazihochburg“, mit einer brennenden Fackel markiert. Wenn Neonazis auftraten, gab es Saalschlachten und Zerstörungen. Die Polizei griff nicht ein, handelte sogar gegen Sozialdemokraten.
2013
A.: Mitläufer der Nationalsozialisten hätten in unserer demokratischen Gesellschaft eigentlich verschwinden müssen. Doch man findet sie selbst heute.
(Anonymus fühlt sich nicht in der Lage, sich weiter über heutige Geschehnisse zu äußern.)
Jacqueline Fries, 18 Jahre, Oliver Ehrngruber, 18 Jahre
Bilder
Zeitzeugnis geben auch die Orte, wo Deutsche jüdischen Glaubens in der Zeit des Nationalsozialismus gelebt, gearbeitet haben, wo Kinder zur Schule gegangen sind und in jüdischen Gemeinschaftshäusern Kulturveranstaltungen stattgefunden haben. Deshalb haben die Teilnehmer an den Schreibwerkstätten „Kultur macht stark“ am 28. November 2013 eine Exkursion ins Hamburger Grindelviertel („Klein Jerusalem“) unternommen. (Margret Steenfatt)
Das Grindelviertel
Die erste Station unseres Ausflugs war der Deportationsplatz. Auf dem Platz gab es ein Denkmal für jene, die unter dem Nazi-Regime ihren Tod in den Vernichtungslagern fanden. Unser Weg führte uns weiter zum ehemaligen „Schinkenkrug“, 1938 einer Kneipe, vor der sich haufenweise betrunkene Nazis tummelten, die Juden beschimpften. Heute ist dort ein Lokal, das multikulturelle Küche anbietet.
Etwas weiter die Straße hinunter stießen wir dann auf eines der „Judenhäuser“, Grindelallee 21/23, ein unspektakuläres Haus im Hinterhof, das wir durch einen schmalen Gang erreichten. Die Wohnungen wirkten klein und gedrungen. Wir bekamen einen Eindruck von den schlechten Wohnverhältnissen, die jüdische Familien damals hinnehmen mussten.
Der Weg führte uns weiter zur Rutschbahn, wo Nike, Nathan und Paul einst lebten. Von dort ging es zum „Jüdischen Gemeinschaftshaus“, heute das Theater „Kammerspiele“. In diesem Haus versammelten sich damals jüdische Einwohner zu Konzerten, in denen der begabte Nathan Geige spielte.
Nicht weit entfernt von den Kammerspielen fanden wir die „Talmud Tora Schule“, eine Schule, die damals auf den jüdischen Glauben spezialisiert war. Sie wurde von den Nazis nicht zerstört und ist heute offen gegenüber jeglichem Glauben. In der Mensa wird den Schülern auf Wunsch koscheres Essen angeboten.
Neben der Schule gibt es einen großen leeren Platz, wo der Grundriss der damaligen Synagoge in den Boden eingearbeitet ist. In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde diese Synagoge zerstört und alle Heiligtümer wurden verbrannt. In der Mitte des Platzes erinnern Kerzen an die Gräueltaten, die damals Juden erleiden mussten.
Was damals geschah, liegt schon über siebzig Jahre zurück. Und doch hatte ich beim Anblick der vielen „Stolpersteine“ vor den Häusern mit den Namen unendlich vieler Menschen, die von deutschen Nazis ermordet worden sind, plötzlich das Gefühl, sie alle wären wieder hier, Frauen, Kinder, Männer stünden um mich herum – meine tiefinnere Überzeugung, das Leben, die Würde des Menschen ist unantastbar.
Jan Noetzelmann, 17 Jahre, Timo Karabetsos, 16 Jahre
Talmud Tora Schule
Die Talmud Tora Schule war die erste jüdische Schule Deutschlands, die 1805 in Hamburg, Elbstraße 122 (40) gegründet wurde. Die Schule verband streng traditionelles Judentum mit moderner Bildung. Gelehrt wurden anfangs nur die traditionellen jüdischen Wissenschaften, vor allem Bibellesen in hebräischer Sprache. Der damals kostenlose Unterricht wurde durch geregelte Mahlzeiten und bei Bedarf auch durch Ausgabe von Bekleidung an die Schüler unterstützt. Weltliche Fächer wurden unter Leitung des Oberrabbiners Isaak Bernays von 1822 bis 1829 eingeführt. Seit 1870 wurde die Schule als Höhere Bürgerschule, später als Realschule anerkannt, in der eine wichtige pädagogische Aufgabe, die Förderung der sozial schwachen Schüler war.
Joseph Goldschmidt wurde der erste wissenschaftlich und pädagogisch ausgebildete Direktor. Höhepunkt von dessen Amtszeit war 1911 der Einzug der Talmud Tora Schule in das neue Schulhaus am Grindelhof. Sein Nachfolger, Joseph Carlebach, reformierte die Schule in den 1920er Jahren. Er führte moderne Unterrichtsfächer und -methoden ein, legte aber großen Wert darauf, dass der jüdische Charakter der Schule erhalten blieb. Unter seiner Leitung wurde in der Schule u.a. die Prügelstrafe abgeschafft.
Arthur Spier, der nach Carlebach Direktor wurde, setzte dessen Reformen fort. Während seiner Amtszeit wurde die Schule 1932 als prüfungsberechtigte Oberrealschule anerkannt. Im folgenden Jahr wurden auch Mädchen in die Oberstufe aufgenommen. Außerdem bereitete die Schule Kinder und Jugendliche 1933 auf die Emigration vor.
Im Kriegsjahr 1939 musste da Schulgebäude im Grindelhof geräumt werden. Von der Schulbehörde wurde die Talmud Tora Schule mit der jüdischen Mädchenschule in der Carolinenstraße zusammengelegt. Auf staatliche Anordnung musste sich diese Schule nun Volks- und höhere Schule für Juden nennen, später dann nur noch jüdische Schule in Hamburg. 1942 musste auch die Schule in der Carolinenstraße schließen. Bis zum Tag der Schließung aller jüdischen Schulen am 30. Juni 1942 gelang es dem Direktor Alberto Jonas, einen „normalen“ Schulalltag aufrechtzuerhalten.
Hunderte von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrer, darunter auch Jonas und dessen Frau, wurden Opfer der Deportation.
Annie Clausen, 17 Jahre
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