Projektdaten:
- Titel: Die grüne Stadt
- Bündnispartner 1: Auf Carl gGmbH, Bernd Alles, c/o Zeche Carl, Wilhelm-Nieswandt-Allee 100, 45326 Essen
- Bündnispartner 2: Emschergenossenschaft, Kronprinzenstraße 24, 45128 Essen
- Bündnispartner 3: Friedrich-Bödecker-Kreis Nordrhein-Westfalen e.V. , Wülfrather Str. 2, 42579 Heiligenhaus
- Autorenpate: Sascha Pranschke, Jahrgang 1974, Dipl.-Kulturwissenschaftler, arbeitete als Journalist und Texter, leitete das Junge Literaturhaus Köln und lebt heute als Schriftsteller und Dozent für Kreatives Schreiben in Dortmund. Bisher erschienen von ihm die Romane „Veits Tanz“ (2007), „Den Regen lieben“ (2009) und „Kölner Kulissen“ (2013). Unter anderem leitete Sascha Pranschke für den Friedrich-Bödecker-Kreis NRW mehrfach Werkstätten im Rahmen der Projektfamilie „FlussLandStadt. Eure Heimat – euer Roman“. Die einzelnen Teilprojekte verfolgen jeweils die Grundidee, dass Jugendlichen sich schreibend unter verschiedenen Gesichtspunkten mit den Städten und der Region, in der sie leben, auseinandersetzen. Ergebnis sind gemeinsame Werke (Romane, Erzählungen, Theaterstücke, Comics), zu denen jeder Teilnehmer seinen ganz individuellen Beitrag leistet. Diese Vorgehensweise bildet auch die Grundlage für die Autorenpatenschaften 2016 zum Thema „die grüne Stadt“.
- Zeitraum: 01.01.2016 - 31.12.2016
- Ort: Essen
- Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Downloads und Presselinks zur Autorenpatenschaft Nr. 22
Über nachfolgende Links können Sie sich Pressemitteilungen anschauen und das Buch mit den Projektergebnissen nach Fertigstellung als PDF runterladen. Zur Ansicht wird ein PDF Reader benötigt.
Download des Buchs (PDF)
Projektbeschreibung
Bedingt durch den Strukturwandel sind viele Quartiere im Ruhrgebiet sozial benachteiligt. Dazu zählen auch die Stadtviertel im Essener Norden (Altenessen, Katernberg, Stoppenberg etc.). Trotz der räumlichen Nähe zur Universität Duisburg Essen gibt es hier nur wenige Übergänge der Grundschüler in diesen Stadtteilen zu Gymnasien oder Gesamtschulen. Der starke Zuwachs einer eher armutsbedrohten, nichtdeutschen Bevölkerung prägt die Statteile. Der Anteil Arbeitsloser liegt hier deutlich über dem städtischen Wert.
Die Bündnispartner werden sich daher im Projekt auf Jugendliche aus dem Essener Norden konzentrieren und ihnen durch die Teilnahme am Projekt den Zugang zu kultureller Bildung und damit zu kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe ermöglichen. Über die auf Carl gGmbH und ihre Kontakte in die Stadtteile hinein werden Jugendliche auf das Angebot aufmerksam gemacht und zur Teilnahme ermutigt. Die Bündnispartner stellen das Projekt auch an Schulen in der Umgebung vor, um hier unmittelbar die potentielle Zielgruppe zu erreichen.
Neben der kulturellen Bildung im Sinne von literarischer Kompetenz konzentriert sich das Bündnis auch auf die Unterstützung der Jugendlichen bei der Aneignung des eigenen Stadtgebietes mit einem Schwerpunkt auf umweltpolitischen Themen. Denn bedingt durch die Montanindustrie war das Ruhrgebiet in der Vergangenheit auch ökologisch stark belastet. Auch heute noch hat die Region mit diesen Problemen zu kämpfen. Wie erfolgreich sie trotzdem in Bezug auf die Lösung dieser Probleme und auch als Vorreiter bei der Bewältigung aktueller Umweltrisiken ist, zeigt die Auszeichnung der Stadt Essen als „European Green Capital“ 2017. Das Bündnis nimmt diesen Titel zum Anlass, Jugendlichen in Essen dazu anzuregen, sich literarisch mit Themen des Umweltschutzes zu beschäftigen.
Als Inspiration werden die Teilnehmer im Rahmen von Exkursionen durch Experten über Probleme und Lösungsmöglichkeiten informiert. Schwerpunkte bilden dabei Konzepte zu integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepten und der Umbau der Emscher und der Renaturierung der ehemals als Abwasserkanal verwendeten Bachläufe durch die Emschergenossenschaft.
Basierend auf diesen Exkursionen entwickeln die Jugendlichen in der Gruppe Ideen, in welcher Form sie die Themen literarisch aufgreifen und verarbeiten wollen. Unterstützt werden sie dabei von Profi-Autoren, Experten der Emschergenossenschaft und pädagogischen Fachkräften.
Bilder
Texte der Autorenpatenschaft Nr. 22
Victor
Am Morgen des Kongresses werde ich wach von einem schlechten Traum. Seit ich mit Annie zusammen bin, habe ich diesen Traum immer wieder.
Annie und ich liegen auf einer Wiese an der Emscher. Wir schauen uns tief in die Augen. Annie sieht so schön aus, dass ich den Blick gar nicht abwenden kann. Plötzlich steht sie auf und läuft zum Wasser, um sich darin anzuschauen wie in einem Spiegel. Ich laufe zu ihr. Doch wenn ich mich neben sie stelle und meine Reflexion neben der ihren im Wasser betrachte, sehe ich einen alten Mann.
An dieser Stelle wache ich immer auf. Nie kann ich den Traum weiter sehen. Dieser Gedanke, dass ich immer älter werde, während Annie ewig jung bleiben wird, macht mich einfach fertig.
Aber so ist es nun einmal: Annie ist eine Fee. Und Feen bleiben für immer jung.
Trotzdem will ich mein Leben mit ihr verbringen. Ich plane sogar schon den Heiratsantrag. Male mir aus, wie ich sie fragen werde: Annie, willst du mich, Victor Juan Fernández, heiraten?
Dafür muss ich aber erst noch meinen Eltern erzählen, dass ich eine Freundin habe. Seit meine Schwester Victoria vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, haben meine Eltern sich sehr zurückgezogen aus dieser Welt. Sonst hätte ich schon längst mit ihnen gesprochen wegen Annie.
Natürlich bin ich auch immer noch traurig über Victorias Tod, aber es ist wichtig, dass wir unser Leben weiterleben. Das hätte Victoria auch gewollt.
Schon allein für meine kleine Schwester Lucia. Sie ist acht Jahre alt und wartet jeden Morgen darauf, dass ich sie auf dem Weg zur Grundschule begleite. Manche älteren Geschwister finden ihre jüngeren Geschwister ja lästig und verbringen nicht gern Zeit mit ihnen. Bei mir ist es das Gegenteil. Lucia ist zwar erst acht. Aber sie ist für mich der wichtigste Mensch auf der Welt. Erst recht, seit Victoria tot ist.
Meine Familie kommt ursprünglich aus Spanien. In Spanien ist es Tradition, eng mit der Familie verbunden zu bleiben und sich gegenseitig Liebe zu schenken. Deshalb steht für mich die Familie an erster Stelle. Auch wenn ich schon 25 bin.
Und deshalb muss ich endlich mit meinen Eltern reden, beschließe ich.
Megi Demce (16 Jahre)
Bilder
Annie
Nach dem Zusammentreffen mit meiner Mutter verließ ich den Kongress. Ich hatte für heute genug. Aber ich musste die ganze Zeit an Tate denken. Wie er sich fühlte. Ich kann dich verstehen, hatte ich gesagt. Und es stimmte: Ich konnte sehr gut verstehen, was es hieß, einsam zu sein.
Ich machte mich auf den Weg zum Baldeneysee. Hier war es wirklich schön. So friedlich und ruhig. Andere hätten diesen Ort sicherlich als Oase bezeichnet. Doch für mich war er mit unschönen Erinnerungen verbunden. Erinnerungen, denen ich mich stellen wollte.
Ich hörte wieder das hässliche Lachen und das Gespött der anderen. Krüppelfee. Mückenfliege. Sie waren nie sonderlich kreativ bei der Findung von Spitznamen. Trotzdem erfüllten die Namen ihren Zweck: sich über mich lustig zu machen.
Was die anderen Emscherfeenkinder konnten, konnte ich immer nur halb so gut. Ich konnte kaum fliegen und hatte immer wieder Probleme mit dem blitzschnellen Ortswechsel, landete immer wieder an falschen Orten. Mit anderen Worten: Ich beherrschte nicht einmal das Kleine-Elfen-Einmaleins. Schon traurig. Aber ich konnte doch nichts dafür. Das war ihnen natürlich egal. Die Hauptsache war, sie hatten ein Opfer, auf dem sie rumhacken konnten.
Nur eins konnte ich besser als sie: Keiner von ihnen war wie ich in der Lage, die Gefühle von anderen zu spüren. Ja, ich kannte ihre Gefühle. Und mit Verwunderung stellte ich fest, dass die meisten von ihnen sich schlecht dabei fühlten, mich zu verspotten. Es verletzte mich trotzdem.
Es war nicht immer von Vorteil, die Gefühle anderer mitfühlen zu können. Oft verwirrte es mich. Weil manchmal die Gefühle und das Handeln so wenig zusammenpassten. Wie heute auf dem Kongress bei diesem Herrn neben mir. Dem hätte ich seine Gefühle nie angesehen. Und doch waren sie da. Intensiver als sonst. Und nicht zu stoppen ... Wie kam das bloß? Ich beschloss, Lucy danach zu fragen. Lucy wusste fast immer einen Rat.
In dem Moment klingelte mein Holofon. Dieser Scoop rief an. Dass der sich so schnell melden würde, hatte ich nicht erwartet.
Leon Schuster (18 Jahre)
Tate
Wütend packte Tate einige Sachen zusammen. Tränen liefen ihm die Wangen hinunter. Er hatte doch einfach nur gesund werden wollen. Warum kapierte Lukas das nicht? Er hielt es hier einfach nicht mehr aus. Niemand versteht mich ... Nicht einmal Lukas ... Flucht war das einzige, was ihm jetzt noch einfiel.
Sein Blick fiel auf die Sockenschublade, in der er die Tütchen mit dem Medikament versteckt hatte. Wenn sein Großvater sie doch bloß nicht gefunden hätte. Tödliche Nebenwirkungen ... na und? War doch sowieso allen egal, was mit ihm war. Niemand würde ihn vermissen.
Lukas schien schon zu schlafen, sodass Tate unbemerkt das Haus verlassen konnte. Bloß: Wo sollte er jetzt hin? Er hatte doch niemanden, dem er sich anvertrauen konnte. Annie, dachte er kurz. Sie hatte ihm doch schließlich geholfen. Nein, entschied er. Sie hatte das sicher nur aus Mitleid gemacht. Es machte alles keinen Sinn. Ziellos fuhr Tate drauflos. Bis er schließlich in einem Park eine Pause einlegte. Er war müde und fühlte sich immer noch nicht gut ... Völlig erschöpft schlief Tate ein.
„Wach auf!“, hörte Tate eine vertraute Stimme sagen. „Was machst du denn hier im Park?“
Noch ganz verschlafen öffnete Tate die Augen und blickte in Jacobs besorgtes Gesicht.
„Ich ... ich hatte Streit mit Lukas“, stieß Tate hervor. Wegen Vitam Aeternam. Er ... er hat rausgefunden, dass ich es nehme ...“
„Na und?“, entgegnete Jacob. „Du wolltest doch nur gesund werden. Das kann er dir wohl kaum verübeln.“
„Ja“, sagte Tate. „Sag ihm das. Ich kann ja nichts dafür, dass er das nicht versteht ...“
„Flucht ist aber doch auch keine Lösung“, meinte Jacob. „Komm, ich bring dich zu Lukas zurück.“
Die beiden machten sich auf den Weg. Doch plötzlich überkam Tate wieder eine Welle von Schwindel und Übelkeit.
„Weißt du was, Jacob?“, sagte er. „Ich will doch nicht zurück zu Lukas. Mir geht’s nicht gut.“
Besorgt blickte Jacob ihn an.
Weronika Kapala (17 Jahre)Wir haben ihr Interesse geweckt?
Werden Sie
Unterstützer
Wir freuen uns immer über hilfreiche Unterstützung, die es uns ermöglicht unsere Projekte fortzusetzen. Wenn Sie also Unterstützer werden wollen, würden wir uns über eine Kontaktaufnahme freuen.