lecker schreiben – Schreib- und Poesiewerkstatt
Projektdaten:
- Titel: lecker schreiben - Schreib- und Poesiewerkstatt
- Bündnispartner 1: Kreatives Schreiben e.V., Seestraße 98, 13353 Berlin (Wedding)
- Bündnispartner 2: Haus für Poesie, Knaackstraße 97, 10435 Berlin
- Bündnispartner 3: Friedrich-Bödecker-Kreis im Land Berlin e.V., Weisestraße 50, 12049 Berlin
- AutorenpatInnen:
Michael-André Fuchs, Autor, veröffentlichte unter anderem die Romane "Schwarzfahrer" (2003) bei
Aufbau Verlag und "Das Fallen" (2020) bei Satyr. 2013 wurde er mit dem Weißen Raben Dresden
ausgezeichnet.Marion Hütter. Geboren 1968, studierte Journalismus und Deutsche Literatur. Arbeitet seit 20 Jahren als
Journalistin und Autorin in Berlin und realisierte über 50 Fernsehreportagen und Magazinstücke für die
Deutsche Welle aus dem In- und Ausland.Der Autor und Vorleser Frank Sorge ist 1977 in Berlin geboren, und schreibt wöchentlich für die Lesebühne
Brauseboys und die Reformbühne Heim & Welt. - Zeitraum: 25.07.2024 - 28.07.2024
- Format: Modul 4 (Kompaktmodul mit Übernachtung)
- Ort: Berlin
- Bundesland: Berlin
Downloads und Presselinks zur Autorenpatenschaft
Über nachfolgende Links können Sie sich Pressemitteilungen anschauen und die Broschüre mit den Projektergebnissen nach Fertigstellung als PDF runterladen. Zur Ansicht wird ein PDF Reader benötigt.
Download der Broschüre (PDF)
Inhalt der Broschüre - Folgt
Cover der Broschüre - Folgt
Projektbeschreibung
Die Zielgruppe unseres Projektes sind Kinder und Jugendliche aus Berlin, die in sozialen und bildungsbezogenen Risikolagen leben. Insbesondere in Bezirken wie dem Wedding, wo Familien mit niedrigerem Bildungsstand und Einkommen dominieren und der Anteil an Schüler*innen mit Migrationshintergrund über 90% beträgt, fehlt es oft an Zugängen zu kreativen und schreibenden Tätigkeiten. Diese Kinder und Jugendlichen sehen sich häufig mit sozialen und wirtschaftlichen Barrieren konfrontiert, welche ihre Bildungschancen und kreative Entfaltung limitieren.
Unser Projekt zielt darauf ab, diesen Jugendlichen durch kostenfreie, künstlerische Angebote neue Perspektiven zu eröffnen. Dies soll nicht nur ihre sprachliche Ausdrucksfähigkeit und persönliche Entwicklung stärken, sondern auch berufliche Wege in kreative und literarische Sphären eröffnen, die ihnen sonst verschlossen bleiben würden.
Durch die Bereitstellung eines solchen Angebots in einem interkulturellen und sozial diversen Rahmen wollen wir zusätzlich der sozialen Isolation entgegenwirken, die oft in stark segregierten Stadtteilen wie dem Wedding vorherrscht. Wir glauben, dass durch die Schaffung eines Raumes für kreative Zusammenarbeit die soziale Integration gefördert und kulturelle Barrieren abgebaut werden können.
Bilder zur Autorenpatenschaft
Texte der Autorenpatenschaft
Griechischer Mythologie zufolge wurden Menschen halbiert und ins Leben geschickt, um ihren Seelengefährten zu finden. Manchmal frage ich mich, ob ich mich selbst halbieren soll. Ein Zettel ist aus dem weißen, kleinen Lederheft gefallen, was auf dem dreckigen Schultisch liegt. Die Notiz, in säuberlicher Schrift auf Papier. Ich lege den Zettel wieder rein und es fallen etliche Zettel raus. So viele, dass ich mich entschließe, den einen Zettel wieder raus zu nehmen und in mein eigenes Heft zu stecken. Das weiße Heft, wieder voller Zettel, gebe ich später im Sekretariat ab.
Vor zwei Monaten habe ich das weiße Heft zuletzt gesehen. Der Ledereinband mittlerweile das straßenköterblond seiner Besitzerin. Die vorderen Strähnen ihrer langen, glatten Haare klebten an ihrer Stirn, als unsere Hände sich berührten, als sie mir dankend das Heft aus der Hand riss, in der zu großen Lederjacke, die ihre Hände verdeckte und den Interpretationsraum zurückgab, den ihr Mikrorock nahm. Erst begann ich, diesen Raum zu interpretieren. Nach ein paar Wochen spielte ich mit der Notiz in meinen Händen, bis sie knitterig wurde und die Tinte verwischte. In der Schule erschienen ihre blonden Haare wie der Vollmond, immer in Eile und immer zur selben Zeit. Am I craving chips, love or a father? Diese Notiz fiel dieses Mal raus. Daddy issues. Genau mein Typ. Ich glaube nicht an Teilen. Ich nutze die Gelegenheit, meinen Kuli rauszuholen. Maybe you are craving me.
Anushe
Wieder läuft er mit seinen Kopfhörern auf den Ohren durch die Gänge. Immer macht er das. Nie verbringt er seine Pausen mit anderen Menschen, nur mit seiner Musik. Freunde hat er, glaube ich, nicht. Jedenfalls nicht wirklich und auch nicht an dieser Schule. Im Unterricht nimmt er seine Kopfhörer ab und pausiert seine Musik. Wir haben Kunst. Jedes Mal setzt er sich an den gleichen Platz, gegenüber von mir. Neben ihm sitzen andere Leute. Mit denen redet er manchmal. Meistens jedoch arbeitet er alleine an seinem Bild. Das Thema ist Spiegelung. Auf seinem Bild ist ein Mann mit Regenschirm. Er steht alleine am Straßenrand. Um ihn herum sind keine Menschen, keine Autos. Auf der Straße ist eine Pfütze. Sie spiegelt den Mann. Das Bild ist schön, aber irgendwie wirkt der Mann auch einsam. Es ist das einzige Bild, das er im halben Jahr Kunstunterricht gemalt hat. Manchmal rede ich mit ihm um eine Aufgabe zu besprechen oder so. Nichts Besonderes und auch nicht besonders viel. Er scheint sich gut mit den meisten Leuten zu verstehen, mit denen er redet. Ich weiß, dass manche andere sich über ihn lustig machen, wenn er alleine irgendwo sitzt und Musik hört. Danach tun sie so, als ob nichts gewesen wäre und sind weiter nett zu ihm. So macht man das eben. Nachmittags, nach Schulschluss, setzt er seine Kopfhörer wieder auf und fährt nach Hause. Er fährt alleine.
Manchmal verabschiedet er sich, meistens fährt er aber einfach weg. Ich glaube, er mag gerne alleine sein und deswegen ist er das auch. Ich weiß nicht, mit wem er redet, nachdem er von der Schule weg ist. Ob er Freunde oder Hobbys hat. Vielleicht sitzt er auch einfach den ganzen Nachmittag herum und spielt Computerspiele oder lernt. Vielleicht zeichnet er auch. Ich weiß, dass seine Mutter ein oder zwei Häuser weg von mir arbeitet. Irgendwann im September hat er sie dort mal besucht. Ich glaube, das macht er nicht so oft. Aber wissen kann ich es ja auch nicht. Es kann ja auch sein, dass er jeden Abend mit Freunden rausgeht und irgendwelche Sachen macht. Wer weiß das schon. Jedenfalls wirkt er von dem, was ich mitbekomme, etwas einsam. In etwa wie der Mann in seinem Bild.
Mila
Edward war zum ersten Mal hier in einer Fabrik. Die metallischen Klänge des Eisens und das immer weitere Tippen der Programmierer brachten ihm eine gewisse Nervosität. Er spazierte durch rostige Übergänge an seinem Arbeitsplatz. Er war Programmierer. Sein Computer war so zugestaubt, man hätte meinen können, er hätte für Jahre dort gestanden. Die Gesichter von allen anderen konnte er nie sehen. In Gasmasken und feuerfesten Anzügen waren sie verdeckt, um sich gegen das flüssige Metall, jegliche Funken und Gase zu schützen. Es war jedenfalls sicherer als die anderen Berufe, die er in diesem Loch machen musste. Seit dem Armageddon war hier sowieso alles sicherer als der Ostwind. Der Beruf hier ist essentiell, neben den Farmen, man muss schließlich noch alles in Stand halten. Er meldete sich mit dem Morse-Code ein und fing an zu arbeiten. So schnell auch der Tag wieder vorüber war, fühlte er sich auch schleppend an. Jeden Tag aß er den gleichen Fass, jeden Tag arbeitete er die gleiche Arbeit. Er sah keinen Sinn mehr darin. Ihm kam gerade recht, dass der Direktor jemand Neues brauchte, um nach oben zu wandern. Jedenfalls besser als jeden Tag hier gleich zu leben und dann zu sterben. Alles, was er für draußen brauchte, wurde ihm gegeben und er sollte, wie ihm schon gesagt wurde, Teile holen, die lebensnotwendig für die Instandhaltung sind.
Er begab sich am nächsten Tag zu der Tür, er gab den Code ein in die Öffnung. Jedes Licht blitzte vor ihm auf.
Sirenen halten, der erste Tür eröffnet.
Das war also die letzte Instanz bevor er wusste, was draußen auf ihn warten würde. Nie war er hier. Man kann nur vermuten, ob er je wiederkommt.
Oscar
Die Kirschen sind noch sauer. Du hast sie um die Ecke gefunden, bei der Bank, beim alten Mann, der in sein kleines Büchlein schreibt. Später werden wir auch so, scherzt du und ich nicke. Als wäre ich aufmerksam, nicht konzentriert auf die Säure in meinem Mund, Saum auf meiner Zunge. Nur halt zu zweit, sagst du. Legst deinen Kopf in die Hand, Ellenbogen auf Fensterbank, spuckst den Kern hinaus. Zu zweit hört sich gut an, denke ich, nehme eine weitere Kirsche, wächst unter uns ein neuer Baum.
Das Licht wärmt. Nicht wie eine Decke, nicht wie Umarmungen, einfach so wie dich das tut. Du hast die Augen geschlossen, genießt. Aus deinen Kopfhörern Indie und ich frag mich, ob du die Vögel hörst. Tauben, Spatzen, niemand Besonderes, nicht mehr als du und ich. Das Licht wärmt, der Frühling hat gefehlt. Bald können Spatzen wieder Beeren essen.
I hope we find true peace someday. Ich starre auf Graffiti-Zug an der Wand, dann mein Pappbecher. Kaffee schwarz versus Frieden. Sprayer sind wohl besser als ich. Buchstaben auf dreckiger Wand, auch nahe zu publizieren. True Peace, als wäre mein Kaffee schon ein Kriegsgeschrei. Someday, welche Kriege wohl in den Wurzelmann gefochten werden? Mein Kaffee schmeckt bitter. Kriegsgeschrei gegen wahren Frieden. Guter Tausch. Mein Alltagsaktivismus wird frischer Kräutertee.
Du willst noch mal zum Späti, du willst Mate, als Versprechen, heute nicht zu schlafen. Du nimmst meine Hand. Vier Treppen laufen sich besser zu zweit, laufen sich freier zu zweit. Mate hast du mir gezeigt, mit 13 auf dem Bürgersteig neben deiner Altbauwohnung. Ich fand, es schmeckt wie deine Rauchversuche, dein Husten dabei, gleicher Bürgersteig. Ich fand’s lustig, fand dich lustig. Ich liebe Mate, seit ich dich kenne, sage ich.
Mein Teekocher zischt, pfeift langsam, brodelt sich auf. Flohmarktfund. Fünf Jahre Rooibusch-Tee aus Blumenkanne. Ich zoome ein, setze auf. Rooibuschtee und lächeln. Kitzelnde Strähnen im Nacken, herausgewachsene Haare. Seit gestern grün. Die Blumenkanne auf dem Couchtisch, arbeiten und neue Songs in Playlist einfügen. Der Tee ist wieder abgekühlt.
Kleinanzeigenregal. Selbstabholung. Bezirksaustausch. Ringbandfahrten und du hilfst tragen. In der Scheibe hängen träge Gesichter und ein Regal mit abgesplitterter Farbe Vergilbtes Weiß, darunter Holz, Gesichter über Handys lesen und dich ansehen, dein Gesicht und mein Regal Meine Beine über deinen, zeigst mir dein Lied, ein Barauftritt und deinen Ehrgeiz. Meiner reicht nur bis zum Regal im Nachbarbezirk.
Parkgespräche Liegen und starren, Wolken ausmalen Das Gras ist noch nicht verwelkt und ich frage mich, warum mich das traurig macht. Grün ist eine melancholische Farbe. Meine Haare waren grün. Die Farbe hat sich rausgewaschen. Gras grün zu Strohblond. Ich dachte, unser Park zieht mit. Du erzählst, Kaffee um den Block, du lädst mich ein. Wer nicht mitzieht, wird zurückgelassen. Wolken ziehen auch über Neues hinweg.
Talea
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