Projektdaten:
- Titel: Bin ich endlich angekommen?
- Bündnispartner 1: Fachkonferenz Asyl - Migration - Integration des Dekanats Maifeld-Untermosel, Obertorstr. 8, 56294 Münstermaifeld
- Bündnispartner 2: Förderverein Flüchtlingshilfe Maifeld e.V., Kalscherhof 1a 56294 Münstermaifeld
- Bündnispartner 3: Friedrich-Bödecker-Kreis im Land Rheinland-Pfalz und in Luxemburg e.V., Saarstraße 21, 54290 Trier
- Autorenpat*innen: Martina Gonser wurde 1956 in Freiburg geboren. Sie ist schon sehr früh regelmäßig in Buch- und Fantasiewelten eingetaucht. Hin- und hergerissen zwischen der Arbeit mit Sprache und der Liebe zu Kindern musste sie sich entscheiden, ob sie Lehrerin oder Journalistin werden will. Sie entschied sich schließlich für den Journalismus und arbeitet fast vierzig Jahre beim Südwestrundfunk als Reporterin. Jahrelang hat sie dort z.B. beim Girlsday Jugendlichen einen Einblick in den Journalismus gegeben. An den Schulen ihrer Kinder hat sie Radio-Workshops angeboten und mit den Schülern Reportagen produziert. 2019 erschien„Frag bloß nicht, wer dein Vater ist“ ; es ist ihr erstes Jugendbuch. In den Werkstätten übernimmt sie einzelne Tage zum Thema recherchieren und Interviews führen. Außerdem möchte sie begleitend einen Podcast machen. Teilweise hat sie bereits mit den teilnehmenden Kindern und Jugendlichen gearbeitet. Björn Berenz, Jahrgang 1977, arbeitet hauptberuflich als Werbetexter und hat bereits mehrere witzige Romane für Erwachsene veröffentlicht. Er entdeckte schon früh seine Leidenschaft für das Schreiben. Die „Akte Ahhh…!“ ist sein erstes Kinderbuch. Der gebürtige Koblenzer lebt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in der Eifel. Der Autor hat bereits im Rahmen des Bündnisses als Herausgeber ein Buch begleitet.
- Zeitraum: 01.07.2021 - 30.11.2021
- Format: Modul 2 (halbjährig)
- Ort: Münstermaifeld
- Bundesland: Rheinland-Pfalz
Downloads und Presselinks zur Autorenpatenschaft Nr. 230
Über nachfolgende Links können Sie sich Pressemitteilungen anschauen und das Buch mit den Projektergebnissen nach Fertigstellung als PDF runterladen. Zur Ansicht wird ein PDF Reader benötigt.
Download des Buchs (PDF)
Projektbeschreibung
In der ehrenamtlichen Begleitung der Kinder und Jugendlichen zeigte sich immer wieder, dass die Hemmschwelle zum Lesen und Schreiben sehr sehr groß ist. Schreiben und Lesen wird mit Schule und sofort mit dem eigenen Migrationshintergrund gleichgesetzt. Wir möchten daher die Bandbreite der literarischen Kulturerfahrungen anbieten. Daraus kann sich dann ein Schreibimpuls ergeben, dieser steht aber am Ende des Erfahrungsprozesses und ist dann intrinsisch motiviert. Geschrieben werden darf darüber hinaus sowohl in der Zweitsprache als auch in der Muttersprache.
Inhaltlich möchten wir die Teilnehmer*innen einladen, ihre Zeit in der neuen Heimat zu reflektieren und auch anderen darüber zu berichten. In einer Gruppe mit Gleichaltrigen, die aus ähnlichen Lebenssituationen kommen und ähnliche biographische Erlebnisse haben, kann ein Austausch intensiver erfolgen. Durch die Möglichkeit auch die Muttersprache einzusetzen, ist eine emotionale Verarbeitung konkreter erfahrbar.
Wir sind da! – und haben Lust auf grenzenlose Geschichten!
Mit der neuen Heimat sind viele neue Eindrücke auf unsere jungen Flüchtlinge eingeprasselt. Plötzlich ist alles anders. Auf einmal sind da neue Menschen, neue Freunde. Eine neue Schule, eine neue Sprache, kurzum: ein neues Leben. Ebenso viel Vertrautes wurde zurückgelassen. Jedes Erlebnis, jede Flucht, erzählt eine eigene tragische Geschichte. Ganz bestimmt legt das den Grundstein für ergreifende Geschichten, die nur erzählen kann, wer sie selbst erlebt hat. Wir möchten unsere Teilnehmer dazu ermutigen, ihre noch junge Lebensgeschichte zu einer lesbaren Erzählung zu machen. Mit allen Träumen und Hoffnungen – und auch Enttäuschungen.
Zusammen mit jungen Flüchtlingen aus dem Maifeld und der Untermosel lernen wir, was Geschichten für Menschen bedeuten. Wie lassen sich Gedanken und Erlebnisse zu Papier bringen? Wie wird aus Erlebtem und Erfundenem, aus Träumereien und Fantasie eine fesselnde Story, die es wert ist, gehört zu werden. Wir zeigen anhand von Schreibspielen und Fantasiereisen, wie man schöne und auch schmerzliche Momente zu Papier bringt und eigene Erfahrungen der Auslöser für eine fantasievolle Geschichte sein können. Dabei werden wir uns nicht nur auf das Schreiben konzentrieren, sondern auch Podcasts aufzeichnen und den Teilnehmern die dahinterstehende Technik näherbringen. Für eine Schreibwerkstatt, die Grenzen überwindet, ohne Druck und Vorkenntnisse – aber mit ganz viel Freude.
Bilder
Texte der Autorenpatenschaft Nr. 230
Ein unglaubwürdiges Spiel
Ich bin dreizehn Jahre alt und komme aus der Türkei. Wir sind
wegen Erdogan nach Deutschland gekommen, weil er meine
Eltern ins Gefängnis stecken wollte. Grundlos! Mein Vater
war in der Türkei Polizist und dann wurde er irgendwann
verfolgt. In der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 2016 sind viele
tragische Sachen in der Türkei passiert. Es sind Kampflugzeuge über unser Haus geflogen und durch die Stadt sind Panzer
gefahren. Ich weiß, dass an diesem Tag viele Menschen gestorben sind. Kurz darauf wurde mein Vater gesucht. Er musste
untertauchen und ich habe ihn viele Monate nicht gesehen.
Oft wurde in dieser Zeit unser Haus durchsucht. Unsere technischen Geräte wurden mitgenommen. Laptops, Computer,
sogar ein altes Handy, von dem keiner das Passwort wusste. Sie haben alles einfach mitgenommen. Einfach so! Selbst bei
meiner Oma haben sie die Wohnung durchsucht.
Irgendwann wollten sie sogar meine Mutter mitnehmen –
obwohl sie schwanger war. In der Zeit wurden sogar schwangere Frauen direkt nach der Geburt ins Gefängnis gebracht.
Es war klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Also sind
wir nach Istanbul zu unseren Verwandten gefahren. Dort haben wir viele Sachen vorbereitet für unsere Flucht. Doch davon wusste ich nichts. Wir sind einfach losgefahren. Ich habe
die ganze Zeit gefragt, wo es hingeht, was wir vorhaben, aber
niemand hat mir eine richtige Antwort gegeben. Meine Eltern
meinten zu uns Kindern, dass wir ein kleines Spiel spielen
und wir eine Überraschung erhalten würden, wenn wir ein
Ziel erreichen. Ich wusste, dass etwas anders war, dass etwas
Gutes für uns passieren würde. Aber ich verstand nicht was.
An diese Nacht erinnere ich mich noch genau. Ich habe Schuhe getragen, die Reflektoren hatten. Diese haben meine Eltern
mit Farbe angemalt, damit sie im Dunkeln nicht aufleuchten.
Dann sind wir nachts losgefahren – weder weiß ich, wo das
war, noch wann genau. Männer haben uns irgendwo hingefahren, dann sind wir in völliger Dunkelheit losgegangen,
über ein Feld. Plötzlich kam etwas komplett Schwarzes auf
uns zu. Mein Vater sagte, wir sollen hinter ihm gehen, weil
es so aussah wie ein Bär. Doch es war ein Mann, der über uns
Bescheid wusste, dass wir nach Griechenland wollten. Er hat
gesagt, dass er uns helfen kann, wenn wir ihm Geld geben.
Der Mann war nicht nett. Dann sind wir mit einem winzigen Schlauchboot, das eigentlich nur zwei Personen tragen
kann (wir waren zu siebt), über das Wasser gefahren. Doch
das Boot war undicht und füllte sich zusehends mit Wasser.
Der Mann ist daraufhin ins Wasser gesprungen und hat uns bis zur anderen Seite gezogen. Dort angekommen, ging er
einfach fort und wir waren auf einmal völlig allein in Griechenland. Wir haben nach einem Weg gesucht, aber keinen
gefunden. Überall waren Dornensträucher. Ich erinnere mich
daran, dass alles stockdunkel war. Und es war sehr kalt. Wir
hatten keine andere Wahl, als dort zu übernachten. Am Morgen ist mein Vater bei Sonnenaufgang aufgebrochen, um nach
dem Weg zu suchen. Als er ihn gefunden hatte, wurden wir
aufgeweckt und sind über einen Pfad zu einem Dorf gelangt.
Dort gab es einen kleinen Bahnhof und wir wollten in einen
Zug einsteigen, um in die nächste Stadt zu kommen. Doch
wir wurden von der Polizei aufgehalten. Wir wissen es nicht
genau, glauben aber, dass uns irgendwer bei der Polizei gemeldet haben muss, weil wir durch das Dorf gelaufen sind. Es
war ein sehr merkwürdiges Gefühl, durch dieses griechische
Dorf zu gehen. Leute haben uns angesehen und Autos, die an
uns vorbeigefahren sind, wurden langsamer. Die Polizei hat
uns in einem gepanzerten Auto mit zur Polizeiwache genommen. Drei Tage mussten wir dortbleiben. Es war sehr dreckig
und wir haben nur Schweinefleisch zu essen bekommen. Und
einmal mussten wir es auch essen, weil wir schon so lange
nichts mehr gegessen hatten. Nach drei Tagen wurden wir
freigelassen und wir haben einen Freund meines Vaters aufgesucht. Der hat uns dann dabei geholfen, mit einem Flugzeug nach Belgien zu kommen. Hätte das nicht funktioniert,
wären wir in Griechenland geblieben. Wir sind mit gefälschten Pässen gereist und hatten das Glück, dass wir an einen
Grenzbeamten gekommen sind, der da neu war. Mein Vater
hat ihm „geholfen“ und auf jeden Fall saßen wir dann in dem
Flugzeug und kamen spät abends nach Belgien. Noch am selben Abend sind wir mit dem Zug nach Deutschland gefahren und haben uns im Flüchtlingslager in Trier angemeldet. Das
war eine sehr anstrengende Zeit, die mehrere Monate gedauert hat. Aber irgendwie war die Zeit auch schön, weil ich neue
Freunde und viel Zeit mit meiner Familie hatte. Von Trier kamen wir in ein Flüchtlingslager nach Kusel. Mein Vater hat
dem Staat geschrieben, damit wir eine Aufenthaltserlaubnis
für Deutschland bekommen. Die haben wir dann auch zum
Glück erhalten. Ich bin sehr froh, dass ich in Deutschland bin.
Wären wir in der Türkei geblieben, wäre mein Vater jetzt ganz
bestimmt im Gefängnis und meine Mutter vielleicht auch. Ich
weiß nicht, was dann mit meinen Schwestern und mir geschehen wäre.
M. A.
Zwei Jahre meines Lebens auf der Flucht
Eines Abends saßen wir beim Essen und haben gemerkt, dass
der Krieg anfing. Es fielen Schüsse, und man hörte Bomben.
Mein Vater konnte das nicht mehr aushalten und sagte: „Packt
eure Sachen, wir gehen.“ Wir sind zu meiner Oma gegangen
und haben sie mitgenommen, dort wollte uns mein Onkel
aufhalten. Er sagte: „Ihr bleibt hier.“ Aber wir konnten nicht
bleiben und sind gegangen, ohne etwas zu sagen. Noch in Syrien hat uns der IS gestoppt und hat meinen Vater geschlagen,
auch in der Türkei wurde er geschlagen. Immer wieder wurden wir angehalten und überprüft.
Wir liefen und liefen und sind schließlich in ein Schlauchboot gestiegen. Dort war es sehr eng und die Kinder schrien,
obwohl wir alle leise sein sollten, damit uns keiner hört. Als
wir in der Türkei ankamen, hat uns jemand den Weg gezeigt
und meine Oma ist sogar zwei Jahre dortgeblieben. Wir wollten aber weiter und sind nach Griechenland weitergereist.
Weil wir kein Geld mehr hatten, konnten wir nicht mehr mit
dem Schlauchboot fahren. Wir mussten immer im Dunkeln
laufen und immer wieder etwas von unseren Sachen wegwerfen und wieder neue kaufen. In Griechenland gab es Essen und Trinken und auch dort sind wir viel gelaufen. Meine
Mutter war damals schwanger und Ärzte haben ihr geholfen
und Medikamente gegeben. Als wir nach Deutschland kamen, kamen wir in ein Flüchtlingsheim in Bayern. Das war
ein bisschen schwer, weil das Essen selbst gekocht war und
das konnten wir nicht essen. Einmal ging ich in ein falsches
Zimmer rein und sofort haben sie mich angeschrien, und das
waren auch Ausländer. Danach zogen wir in ein Haus in Bayern und lebten dort zwei Jahre.
Ich bin sehr froh, hier zu leben. Innerhalb von zwei Monaten konnten meine Schwester und ich schon gut Deutsch.
Mein Vater hat sofort angefangen zu arbeiten, sobald wir in
Deutschland waren, das finde ich gut. Ich finde es nicht ganz
so schön dort, wo ich wohne. Hier leben nur alte Leute, das
ist langweilig.
Sara, 12 Jahre
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