Halbzeit für die Autorenpatenschaft mit
Marie-Thérèse Schins und ihrem Schreibprojekt „Schau mal über den Tellerrand: Afrika“
Wie schnell die Zeit vergeht! Nun läuft das einjährige Autorenpatenschaftsprojekt (eine Initiative des Bundesverbands der Friedrich-Bödecker-Kreise, finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen von „Kultur macht stark II“) für die Schülerinnen und Schüler der fünften Klassen an der AVS ein gutes halbes Jahr.
Seit Februar haben sich die jungen Schreibkünstler freiwillig außerhalb des Unterrichts auf das kreative Schreiben zum Thema „Afrika“ eingelassen, unter Anleitung der Hamburger Autorin Marie-Thérèse Schins.
Alles beginnt mit dem Lesen des von ihr verfassten Romans „Ich bleibe in Ghana!“ Hierin wird die wahre Geschichte des 11-jährigen Mädchens Ama erzählt, die beschließt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie ignoriert dabei den Wunsch der Mutter, die von ihr verlangt, die Schule abzubrechen und Geld für die Familie zu verdienen. Heimlich macht sie sich ganz allein auf den langen, gefährlichen Weg in die Hauptstadt Accra. Sie hofft, dort weiter die Schule besuchen zu können, einen guten Abschluss zu machen, um dann einen richtigen Beruf erlernen zu können.
Mit Hilfe dieses Buches schauen die SchülerInnen zum ersten Mal über ihren Tellerrand nach Afrika, der Kontinent hat ein Gesicht bekommen, Amas Gesicht. Empathie und Neugier sind geweckt! Wie ist Ama zu ihrem Namen gekommen? Hat er eine Bedeutung? „Samstag“! MarieThérèse Schins erzählt, warum. In der Akan Kultur Ghanas ist es üblich, das Kind nach dem Wochentag zu benennen, an dem es geboren worden ist. Die Namen der Jungen unterscheiden sich dabei von denen der Mädchen. Und schon kommt die erste Schreibaufgabe. „Was bedeutet denn dein Name?“
Viele weitere Schreibaufgaben werden sich im Laufe der Zeit daran anschließen, häufig knüpfen sie an eine konkrete Erfahrung, ein besonderes Erlebnis an. Dazu werden besondere Orte aufgesucht, in Itzehoe oder auch in Hamburg.
Maskenbauen im Kinderolymp/Museum Altona mit einem Künstler aus Ghana, Joe Sam-Essandoh
Es ist Samstagmorgen, wir haben das Museum noch für uns. Joe Sam-Essandoh packt sein vielfältiges Material auf die zusammengeschobenen Tische: Kalebassen (Kürbisse) unterschiedlichster Größe und Form, verziert oder in Naturfarben, bunte Plastikkanister, Stoffe, bedruckte Kaffeesäcke, ein imitiertes Leopardenfell, Muscheln, Farbe und Pinsel, kleine Musikinstrumente wie Kalimbas und vieles mehr. Unter seiner Anleitung, mit Unterstützung von Frau Schins, beginnen die SchülerInnen nun, ihre individuelle Maske zu bauen. Die phantasievollen Ergebnisse sprechen für sich.
Später kommen die fertigen Masken mit ihren Schöpfern „ins Gespräch“, interagieren mit anderen Masken: So entstehen spannende Texte.
Amulette und Masken im Völkerkundemuseum
Das Mädchen „Ama“ nimmt auf ihren Weg nach Accra ein Amulett mit, das sie vor Gefahren schützen soll. Was sind Amulette eigentlich, welche Arten gibt es? Darüber gibt beim nächsten Hamburg-Besuch die Afrika-Abteilung im Völkerkundemuseum Auskunft. Und nicht nur die unterschiedlichen Arten von Amuletten beeindrucken dort, auch ungewöhnliche Masken, wie zum Beispiel eine Ganzkörpermaske. Marie-Thérèse Schins vertieft das geweckte Interesse, indem sie vor Ort aus einem Buch über die zeremoniellen Anlässe zum Maskentragen vorliest.
Und kann man in einem Museum auch zum Schreiben kommen? Wie man sieht, brauchen die Schreibkünstler dazu keine Tische und Stühle.
Und beim nächsten Treffen in der Schule werden alle auch selber kleine Amulette gestalten und dazu eine Geschichte ihrer möglichen Wirkung erfinden.
Besuch der Stadtbibliothek Itzehoe, Märchenerzählerin Luisa Natiwi
Das Team der Stadtbibliothek Itzehoe ist bei diesem Projekt ein wichtiger Kooperationspartner und bringt sich auf ganz besondere Weise ein. Beim Besuch erwartet die SchülerInnen zunächst ein vielfältig bestückter Büchertisch zum Thema „Afrika“. Zu seiner Zusammenstellung gibt Frau Voß, die Leiterin der Kinder- und Jugendbuchabteilung, anschauliche Erläuterungen. Im Anschluss daran findet jede und jeder sofort die Bücher, in denen geschmökert werden kann.
Aber damit nicht genug. An diesem Tag ist auch Luisa Natiwi zu Gast, die drei Märchen aus ihrer Heimat Uganda sehr lebendig und interaktiv erzählen wird. Dass sie die Kunst des Märchenerzählens beherrscht, zeigt ein Blick in die Zuhörerrunde. Alle hängen gebannt an ihren Lippen. Es wird lauthals gelacht, als sie von dem Jungen Onululu erzählt, der, statt die Ziege der Familie auf gute Weideflächen zu bringen, diese einfach an einen Baum anpflockt, um dann den ganzen Tag trommeln und singen zu können. Als er dann abends nach Hause kommt, gibt die hungrige Ziege aber keine Milch! Und das wütend gerufene „Onululu“ des Vaters zeigt, dass der seinen Sohn durchschaut hat.
Dann wird diese Geschichte auch noch nachgespielt. Wer will Onululu sein? Wer die Ziege? Wer der Vater? Alle wollen mitmachen. Theaterspielen macht Spaß und Applaus bekommen auch!
Und in der nächsten Schreibwerkstatt in der AVS wird ein eigenes Märchen geschrieben werden. „Nun sitzen die Kinder draußen im Schatten auf dem Schulhof und versuchen ihre Schreibkunst an einem Märchen, von einem Löwen, der eine Prinzessin liebt , die aber liebt einen Hasen. In Afrika ist das im Märchen möglich…“ (O-Ton Marie-Thèrèse Schins)
Man darf auf die Texte schon gespannt sein, auch Zeichnungen sind dazu entstanden. Die Märchen werden in der Buchdokumentation zu dem Projekt abgedruckt und am Montag, den 10. Dezember 2018 fröhlich-feierlich vorgetragen!
Besuch der Mikado-Redaktion beim NDR Info
Ein glücklicher Zufall will es, dass Mikado, das Kinderradio auf NDR Info, am 17. Juni eine Sendung zum Thema „Kreatives Schreiben“ plant. Und unsere Schreibkünstler werden eingeladen, an der Sendung mitzuwirken. Spannend, denn dazu gehört unter anderem, dass eine Redakteurin an die AVS kommt und den Ablauf einer Schreibwerkstatt mit O-Tönen aufnimmt.
Etwas später folgt ein Besuch im NDR-Info Studio Hamburg, wo immer am Mittwoch die Sendung für den kommenden Sonntag produziert wird. Jede und jeder soll kurz ein Statement zum Schreiben ins Mikrofon sprechen. Das wird dann zu Beginn der Mikado-Sendung zu hören sein. Nia und Ben, zwei aus der Schreibgruppe, stehen dann für weitere Fragen Rede und Antwort. Eine besonders knifflige Aufgabe: in wenigen Minuten einen vorgegebenen Geschichtenanfang aufzugreifen und fortzusetzen.
Die anderen informieren sich in dieser Zeit durch einen kleinen Film über die Arbeitsschritte beim Produzieren einer Mikado-Sendung, erfahren, wie ein Hörspiel aufgenommen wird und lernen bei einer Führung das ganze „NDR-Info-Haus“ und seine Mitarbeiter kennen.
Wer nun auf die fertige Sendung zum Thema „Kreatives Schreiben“ neugierig geworden ist, kann sie sich hier anhören!
Halbzeit für die jungen Schreibkünstler, Sommerferien.
Die mit unterschiedlichsten Texten und Zeichnungen gut gefüllten Geschichtenhefte warten schon auf neue kreative Schreibanlässe, Ende August beginnt dann die zweite Runde der Autorenpatenschaft mit Marie-Thérèse Schins.
Die erste Halbzeit hat gezeigt, dass dieses Schreibprojekt Grenzen aufhebt in jeder Hinsicht: Es öffnet zum einen den Blick für den Kontinent Afrika, zum anderen wird aber auch eine TÜR aufgestoßen zur bunten Welt der Kultur und Vielfalt der Künste: Museumsbesuche, Schreiben, Lesen, Erzählen, Zeichnen, Gestalten, Theaterspielen – Erfahren, wie man ein Hörspiel produzieren kann,… Alles das konnte in diesen fünf Monaten selbst erlebt werden. So wurde Mut gemacht, sich neben der Schreibkunst auch mal in den anderen Künsten auszuprobieren und neue Talente bei sich zu entdecken.
Ein Schreibprojekt, das Lust auf Kultur macht!
„Kultur schockt!“
Ulrike Diek-Rösch